„Schau mit beiden Augen, schau.“
Dem nun 190jährigen Franzosen Jules Verne ging´s mit dieser Aufforderung vermutlich vordergründig um den Blick auf die umwälzenden Neuerungen und technischen Erfindungen seiner Zeit; nehmen wir uns die Freiheit, kurzerhand dieser Aussage ein anderes Ziel zu verpassen, vor allem aber den Blick auf den Trubel um den hiesigen Carnaval vom vergangenen Wochenende zu richten: oder auf das, was vom einstigen bunten Reigen -zumindest beim ersten Durchlauf- übriggeblieben ist.
Vorab sei versichert, daß eine in diesem Jahre eher herb ausfallende Kritik keine Schlechtmacherei darstellen soll; wohl aber scheinen die wichtigsten Geschichten um die freizügigen, nunmehr auf zwei Nächte reduzierten Umzüge Villarrica´s HINTER den privaten/stadtverwaltenden Kulissen abgelaufen sein… 😦
Nur das Wetter in dieser Nacht war noch besser. 🙂
Daß der offizielle, für 21 Uhr festgelegte Start zu jedem anderen (späteren..) Zeitpunkt als neun Uhr stattfinden würde, ahnt jeder, der schon bisle länger hier lebt; wenn allerdings nach dem Eintritt um 22 Uhr durch die 90tausend-Guaranie-Pforte der Blick auf immerhin etwa 150 gelangweilte Zuschauer fällt, die weniger Lärm machen als Da Vinci´s Mona-Lisa-Bild, kommen arge Zweifel auf, obs nicht besser wäre, die Ticketkosten zu vergessen, in der Innenstadt was essen zu gehen und sich später im Ohrensessel dem Fernsehprogramm zu widmen..
Die in diesem Jahre weiter gekürzte, zu absolvierende Strecke ließ den Argwohn entstehen, daß Villarrica auf der anderen Seite der Stadt einen zweiten, VIP´s vorbehaltenen Carnavalbereich etabliert hat; die paar Meter, die dem Umzug gewidmet sind, würde auch kleine Jungs langweilen, die gerade das Fahrradfahren gelernt haben: selbst die fasrigen Bretter der bisher durch ihre solide Stahlkonstruktion bekannten hohen Zuschauertribünen wurden 2018 woanders benötigt: entweder um das Geld beim Auf- und Abbau zu sparen oder den Grill des Bürgermeisters zu speisen….
Dennoch ließ sich zu vorgerückter Stunde der Umzug nicht mehr verhindern; die einstigen Brahma-Mädels, die vor Jahren existente Zuschauerscharen tänzelnd auf kommende lange Beine und kurze Kleidchen vorbereiteten, waren an diesem Abend freigestellt; vielleicht zahlte Encarnación´s närrische Gesellschaft auch mehr: selbst der neue, als vollschlank einzustufende Rey Momo besaß keinen dickeren Leibesumfang als jeder durchschnittliche Bäckereibesitzer und muß sich also seine Berühmtheit erst anfressen oder Krone, Szepter und weite Hose beim nächsten Mal wieder zurückgeben.
So erstaunte kaum, daß die üblichen Fotoposings Rey Momo/ neueingesetzte Prinzessin für die wartende Belegschaft auf den Sitzgebilden rechts und links des Streckenkürzels zugunsten eines zügigen Ablaufes der kompletten Veranstaltung schlichtweg ausfielen; früher anfallende Kosten für die dreirädrigen federgeschmückten, fast meterhohen Gestelle, die sonst von den Tänzerinnen hinterhergezogen wurden, entfielen ebenfalls in diesem Jahr: in wenigen Jahrzehnten sind diese Gestelle -dann ohne Federn, aber VOR der Person- hoffentlich wieder vorhanden, um sich beim Gehen draufzustützen: wahrscheinlich sind dann neben der Schnabeltasse an der rechten Armlehne sogar zwei große Räder dran, um drin sitzen zu können…
Im Verlauf des Abends kristallisierte sich vage das Thema „Zirkus“ heraus; ein angefertigter Käfig, der zwei starr blickende Giraffen -für Tierfreunde: nicht ausgestopft, sondern extra angefertigt!- enthielt, ließ darauf schließen. Und natürlich der menschliche Feuerspucker: dessen vorige Testreihe auf dem benachbarten Parkplatz, mittels Schluck von flammenfördernder Flüssigkeit aus der Pulle gelbe Brandschwaden zu erzeugen, ließ wegen der herüberziehenden Geruchswolken zunächst den Verdacht aufkommen, der eingesetzte kleine Kamerahelikopter vom städtischen TV-Sender wäre Minol-Dieselbetrieben; meingott, ich bin `67er Jahrgang, woher soll ich diesen neumodischen Kram kennen..?!
Zu meiner Zeit hielt man sich beim knipsen noch den Apparat vors zugekniffene Auge. Nicht mal mehr ein graues, hoffnungslos verknotetes Kabel verband die fliegende Kamera und den Mann am Boden…wie weit sind wir nur gekommen..?
Immerhin existierten noch die Extraeinlagen an Tanz und weiteren Körperverrenkungen, die vorm erhöhten Podium der Jury abgehalten wurden; von oben aus ließ sich die reduzierte Bahn also leicht komplett überblicken, um später einen Gesamteindruck zu bekommen und den Tanzgewinner zu ermitteln. Glücklicherweise erhöhte sich die Zahl der Zuschauer im Laufe des Abends etwas – vermutlich hatte trotzdem jeder die Aussicht, drei oder vier verschiedene Plätze auszuprobieren oder sich lang auszustrecken, ohne jemand zu stören…
So rieselten zweieinhalb Stunden der Nacht -in gewohnter Form ohrenbetäubend- durchs Stundenglas; als in unmittelbarer Sichtweite kein Folgewagen mehr erschien, stand der Entschluß schnell fest, denn doch noch außerhalb was essen zu gehen – in Karnevalsnächten kein Problem: quer durch die Stadt auf dem Rückweg fiel dazu auf, daß noch nie soviel Leute die Stellflächen mit lautmusizierenden Privatfahrzeugen & privaten Funkemariechen belegten; dies würde Gerüchte unterstützen, die von teils die städtische Veranstaltung boykottierenden Zuschauermengen wispern: Prinzessinschieberei sollte geheim erfolgen – oder gar nicht. 🙂
Doch nun endlich eine Bilderfolge – und damit verbleiben wir wie immer mit den besten Grüßen & Wünschen als Team von „OUTLAW TODAY“!