"Alles EINsteigen, hier endet der Zug!"

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Alles Eisenbahn oder was?

Momentan schwirren durch unser spätsommerliches Villarrica eine ganze Menge Gerüchte und „ganz sichere“ Voraussagen. Eines dieser Gerüchte besagt, daß demnächst nach 10 Jahren Ruhepause in unserem Lande die Eisenbahn wieder zum wichtigen Transportmittel erklärt und eingesetzt würde.

Als ehemaliger Modellbahn-Fan (Spur HO, Firma Piko) war dies Grund genug für mich, den nächsten Fahrauftrag auszuschreiben, um vor Ort festzustellen, wieviel vom ehemaligen Bahnbestand noch existiert und ob es denn wirklich innerhalb kürzester Zeit möglich wäre, den Bahnbetrieb wieder aufzunehmen.
So brauste unsere Redaktion gestern morgen mit der Fotoausrüstung über die Ruta 8 Richtung Numi los; Ziel war der 25 km entfernte Bahnhof von => San Salvador. ❗

Schon von weitem fiel die -nunmehr schienenlose- breite Schneise auf, die sich quer durch den ganzen Ort zieht. Immer öfter auftauchende Wasserkräne, mitten in der Landschaft stehende alte Waggons und alte Hinweiszeichen wiesen uns den Weg zum ehemaligen Bahnhofsgebäude, welches nun von einer einheimischen Familie bewohnt wird, die bei unserem Eintreffen ihren Mate-Tee auf dem vormaligen Bahnsteig einnahm.
„No Problem“, sich auf dem ganzen Gelände umzusehen und alles in Augenschein zu nehmen.

Eine Bank für die Wartenden ReisegästeAusgebuddelte SchwellenBahnstation San SalvadorDie Drehscheibe existiert immer nochRecht luftig - genau das richtige für das hiesige KlimaSchattenplätze für die SchafeRöhrenkessel und WasserpumpeUralt aber immer noch funktionstüchtig - Weichensteller

Um es schon vorweg zu nehmen: Eher wird Michael Jackson wieder schwarz, als daß hier wieder ein Zug angerauscht kommt oder etwa ein normaler Bahnbetrieb anläuft! :no:

Jeder Eisenbahn-Fan würde dieses Gelände als Paradies bezeichnen; und auch uns kam es wie eine Reise in die Vergangenheit vor.
Die hier stationierte Drehscheibe sah aus, als hätte sie erst gestern den Sonderzug nach Pankow auf´s richtige Gleis gestellt.
Andere Dinge erinnerten im Zustand ihres Verfalls an die traurigen Reste der 3800 Meter tief liegenden Titanic 😥 , und wirklich handelt es sich bei den meisten hier vorgefundenen Teilen um britische Erzeugnisse!

Vor genau 200 Jahren baute der Engländer Richard Trevithick (wer sonst, bei den reichen Kohlevorkommen seines Landes!) einen Vorläufer der noch einigen von uns bekannten, mit Dampf betriebenen Lokomotiven; er gab ihr den (kurioserweise auch für einige hier anwesende Landsleute zutreffenden… :wave: ) Namen „Catch me who can“; nach deren Entgleisung (dies passiert einigen Landsleuten hier häufiger… :wave: 😛 :wave: ) wurde das Teil verschrottet.
Übrigens war der Erfinder auch auf unserem südamerikanischem Kontinent tätig: von 1816 an entwickelte und unterhielt er zehn Jahre lang Wasserpumpensysteme in peruanischen Silberminen, bevor auch er ❗ das bürgerkriegsgeschüttelte Andenland mit großem finanziellen Verlust wieder verlassen mußte.

Die beiden 'Schätzchen'Schon der Kuhfänger ist riesigBlick auf die 'Fahrerkanzel'Hier wurde eingeheiztDer Tender der einen LokDetailaufnahmeHier gibt's 'ne Menge Blattfedern

Und auch wir sollten hier in San Salvador vor zwei Exemplaren von einst stolzen Maschinen stehen: rostiges, im Winde knarrendes Dachblech schützt die beiden alten Dampfrösser leider nur mangelhaft vor Wind und Wetter.

Doch mit dem aus Western bekannten Kuhfänger und dem großen einzelnen Scheinwerfer erinnern beide an die Zeit der amerikanischen Pioniere, die dank Karl May´s :p 😀 Erzählungen in Harald-Reinl-Filmen auf nebenher reitende Indianer feuern und so einen Hauch von Pulverdampf und Abenteuer in die Wohnzimmer der fleißig am deutschen Wirtschaftswunder Arbeitenden brachten…

Für alle Souvenierjäger sei an dieser Stelle gesagt, daß sich nirgendwo (stimmt nicht: auf dem >:XX , der immer noch angekoppelt ist, befindet sich hinten ein >:XX , der zwar etwas ramponiert, doch sonst gut in Schuß ist…) mehr Teile befinden, die ohne großes Aufsehen und ebenso großem Werkzeugkasten demontierbar sind; Typenschilder und in Blech gedruckte, schraubbare Maschinenangaben sind längst verschwunden, das Glas der großen Lampen und Seitenscheiben ist eingeschlagen und da sich alles noch im Besitz der Eisenbahngesellschaft befindet, ist an jedem noch so kleinem Teil wie etwa Stühle und Bänke vom Wartesaal eine Nummer aufgepinselt – die im Hause wohnende Familie wacht streng über das Inventar!

Viele Teile kommen aus London - auch dieser KreissägentischIn einem Nebengebäude finden sich jede Menge Kleinteile...unter anderem auch alle möglichn SchraubenschlüsselEine tolle Gepäckwaage

In angrenzenden Nachbargebäuden finden sich die damals gebräuchlichen Werkzeuge und großen Schlüssel -durch die britische Herkunft alles im Zollmaß :yes: gefertigt-, und das übliche Inventar eines Bahnhofes: die Gepäckwaagen, die Bahnhofsschilder sowie Fahrtenbücher, zurückreichend in die 50er Jahre und der immer noch gefüllte Fahrkartenschrank.

Was beim genaueren Hinsehen auffällt, sind die frisch vorgenommenen Grabungen im ehemaligen Gleisbett: hier liegt nicht etwa die ständig nörgelnde Schwiegermutter 💡 oder frühere, zuviele Fragen stellende Besucher der Örtlichkeit; sondern der derzeitige Bewohner buddelt die alten hölzernen Schwellen der Schienen aus; nach seiner Angabe aufgrund einer Anweisung der Bahngesellschaft, die in größeren Abständen alles abholt.
Ob aus dem wirklich alten Holz spezielle Mate-Teebecher hergestellt werden oder alles -kleingemahlen- als Katzenstreu verkauft wird…wer weiß das schon..!

Wo früher scheinbar reger Bahnbetrieb herrschte, tummeln sich in San Salvador nun blökende Schafe; Ruhe ist eingekehrt auf diesem Teil der paraguayischen Eisenbahn.
Wird es eines Tages wieder möglich sein, mit dem Zug von Villarrica nach Asuncion zu fahren…??? U-(
Viele, auch weiter südlich gelegene, kleinere Orte verfügten bis vor einigen Jahren noch über einen Bahnanschluß, der sie mit Asuncion verband. Es wären wohl gigantische Kosten, die durch eine Wiederrichtung der Strecke entstehen würden!

Trotzdem war dieser Ausflug in jedem Fall lohnenswert, denn wo findet man noch „in freier Wildbahn“ so eine Oase für Freunde des funkenspeienden Feuerrosses….

FahrkartenschrankReserve-FahrkartenEinen tollen Safe gibt es auch noch!

Was paßt zu unserem heutigen Abschluß besser als ein Wort des im 19ten Jahrhunderts lebenden (britischen) Dr. Lardner:
„Es ist dem Menschen unmöglich, die hohen Geschwindigkeiten der Eisenbahn zu ertragen. Sein Atmungssystem wird zusammenbrechen, Tod durch Lungenbluten wird die Regel sein.“ |-|

Wir von „OUTLAW TODAY“ werden auch weiterhin unsere geneigte Leserschaft mit spannenden Geschichten aus unserer Wahlheimat Paraguay versorgen; grüne Stubenhocker :wave: :yawn: :wave: , die aus Provisionsgründen im Grunde ihres Herzens lieber nahe Villarrica blieben (morgen könnten ja „Neue“ kommen…), können ja über uns weitere interessante Seiten Paraguays erfahren!
So verbleiben wir auch diesmal wie immer mit vielen Grüßen aus Villarrica!

Hier gibt es mehr über den genialen Erfindern R. Trevithick:
http://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Trevithick

HOTEL-RESTAURANT PARAISO
Villarrica, Paraguay
http://www.hotel-paraiso.de

Über canneletto

Also gut - im Jahr 2005 ist in Deutschland für uns die Grenze des erträglichen erreicht. Als Konsequenz sind wir im Juli desselben Jahres nach Paraguay ausgewandert. Wir, das sind: Steffen (48) und Magali (so um Mitte 30 - sorry, Frauen sind eben eitel...). Seit 10 Jahren führen wir nun in Villarrica das einzige deutsch-sprachige Hotel-Restaurant "Paraiso". Besucht uns in unserem Blog oder hier vor Ort und erfahrt die unglaublichsten - weil wahren - Geschichten!

Eine Antwort »

  1. Hallo Steffen,

    die Wiederbelebung der alten Bahnstrecke nach Villarrica ist doch
    eine ehrenvolle Aufgabe für Restauratoren. Es würde auch dem Hotel- und Gaststättengewerbe zu mehr und ungeahnter Geldschwemme gen. Umsatz verhelfen. Ausserdem mit dem Anschlusszug aus Posada kommen zudem noch die Touris aus Buenos Aires.
    Also Eisenbahnfreunde einsammeln, Verein gründen, Geld einsammeln und den La-Plata-Nostalgia-LuxusExpress auf die Schienen setzen. Fehlt nur noch das Karlton in Villarrica. Eisenbahnschienen gibts genug in Brandenburg von den vielen stillgelegten Strecken.

    LG Bernd

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  2. Ich hoffe nicht, daß jetzt wieder sein inszenierter alter Streit um die Henne und das Ei aufflammt… Was die Ersterscheinung vom Blog betrifft, magst Du recht haben, beim ersten Auftritt in Villarrica haben wir die Nase vorn.
    Übrigens war dieser „Gesell“ auf dem Bahnhof von Villarrica; wir stimmen ja unseren Blog nicht mit seinem ab (wäre ja noch schöner!), und so haben wir halt die Bahnanlagen von San Salvador beschrieben.
    Viele Grüße senden Steffen und Magali!

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  3. Stimmt genau- denselben Gedanken hatte ich vor Ort auch schon!!
    Das ganze Gelände hat wirklich das gewisse Etwas!
    Doch die Amortisationszeit der Investitionen läßt sich wohl nur in zwei Generationen wieder „eintreiben“.
    Aber vielleicht startet ja der neue Präsident das ganze Projekt Ende April…;-)))))))))
    Ich wußte ja gar nicht, daß es in Brandenburg so viele stillgelegte Linien gibt…!!!
    Viele Grüße aus Paraguay senden Steffen und Magali!

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  4. Ich glaube, Euer Museum ist in etwas besserem Zustand als das von uns gezeigte… Gibts denn eigentlich Bilder von Eurem Ausstellungsplatz der Eisenbahn????
    Viele Grüße ans andere Ende der Welt von Steffen und Magali!

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  5. Und genau dieselbe Vorliebe trieb uns auch dahin; die Strecke Meißen-Dresden oder von mir aus sonstwo, nur mit der Eisenbahn, hat mir immer sehr gefallen!
    Und die gezeigten Veteranen der Schienenstränge haben natürlich was exotisches an sich….
    Viele Grüße aus Villarrica von Steffen und Magali!

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  6. abgefahren 🙂

    schön zu sehen was die Zeit so an sich treibt :yes:

    auf dieser und mit dieser Strecke sind gewiß viele Schicksale, traurige und glückliche Stunden von Menschen, die heut wahrscheinlich auch nicht mehr sind, verbunden

    so und dann ist die Zeit vergangen

    die Stunden mit ziemlich kleine aber orginellen Resten im Nichts verschwunden

    danke für die Geschichten

    ich glaub auch, daß ihr bald wieder mit dem Zug fahren könnt :))

    liebe Grüsse
    auch von unserem Gleisdreieck

    Karen

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  7. Ja, das Konzept muss stimmig sein. Zu dem Karlton gehört ein Spielcasino und z.B. ein international bekannter Golfplatz. Luftschiffreisen (weil ökologisch) in die grüne Hölle und über Foz de Iguazu. Wenn aus der Luftschiffhalle in Brandenburg ein Tropical Island werden kann, dann wird das doch auch umgekehrt gehen, oder???
    Die Finanzierung erfolgt dann durch den Aktienverein (1000 US$ Anteilscheine drucken). Nur der Neuanstrich der Loks für Familien- ausflüge am Wochenende ist zu wenig.
    Wenn meine Karte stimmt, war es früher kein Problem mit Zug
    von Villarrica über Posadas, Concordia nach Buenos Aires, Montevideo
    und sogar über Santa Maria nach Porto Alegre oder Sao Paulo zu fahren.
    Es soll russische Milliardäre geben, die verzweifelt nach Investitions- möglichkeiten suchen.
    Normalerweise berechne ich ja für die StartUp-Beratung Honorar.

    Viele Grüsse nach Villarrica
    Bernd

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  8. Danke fuer die Story. Informativ. Hier im noerdlichen Teil Amerikas spielt die Eisenbahn ja nicht die groesste Rolle, obwohl soviel von der US Geschichte auf den Eisenbahnbau fundiert. Die Eisenbahn ist heir einfach zu teuer. Wir wollten mal nach NY mit dem Zug, haetten fuer den gleichen Preis aber Flugtickets bekommen koennen. Sind dann doch lieber mit dem Auto gefahren. LG

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  9. Dachte ich mir doch: Diese Exemplare sehen etwas anders aus als unsere fotografierten Stücke. Vielen Dank für den Link!!!!
    Trotzdem stickt in allen diesen Dingen ein Stück Wild West, so wie wir uns den immer vorgestellt haben…;-))))
    Viele Grüße senden Steffen und Magali!

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  10. Besser kann man es gar nicht beschreiben; bei diesen Worten erinnere ich mich an Zola´s „Zug“… Auch bei Stefan Grabinski findet sich eine Erzählung, wo ein Zug in´s Nichts fährt.
    -Und nicht alle der in San Salvador liegenden Utensilien sehen unbedingt aus wie Schrott. Nur die Passagiere haben wohl noch einige Erinnerungen an die damaligen Fahrten…
    Liebe Grüße zum Wochenende senden Steffen und Magali aus Villarica!

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  11. Hallo Bernd!
    Luftschiffreisen- jaaaa!!! Aber dann im alten Charme (ohne Helium…), denn das Friedrichshafener „Zeppelin NT“-Projekt ist ja auch untergegangen!
    Und Deine Karte stimmt- früher existierte wirklich so eine Streckenverbindung!!
    Vielleicht sollten wir ja wirklich mit den „Russen“ Gespräche führen…; wenn Du welche kennst oder die Verbindung aufbauen könntest….(aber in den Zügen gibts dann mehr als nur Chai aus dem Samowar!)
    Hm, wie sieht es denn aus mit Deinem Honorar?? Oder verrechnen wir das mit Deinem Einkommen als, sagen wir, …Stationsvorsteher…?? ;-))))))
    Liebe Grüße aus dem herbstlich-frischen Villarrica senden Stefen und Magali!!

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  12. DAS hätte ich ja nicht gedacht: auch bei Euch sind die Tickets teuer…Wie sehen denn die Streckenpreise aus, und was hätte die Fahrt nach NY gekostet? Ihr habt doch bestimmt auch diese Schnellverbindungen, wo der Zug ohne Halt durchrast.
    Dieser Ausflug an unserem freien Tag hat wirklich Spaß gemacht; ich stand noch nie am Führerstand einer Dampflok- und dann gleich so ein historisches Modell und noch dazu aus England!
    Schön, daß Euch der Beitrag gefallen hat!!
    Viele Grüße aus Südamerika senden Steffen und Magali!!

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  13. Also ich seh´ schon, bei diesem Honorar-Angebot wird das nix.
    Das ist ja Manchester-Kapitalismus pur. Dafür musst Du den Gerhard
    oder den Ex-Dresdner Vladimir selber anrufen.

    LG Bernd

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  14. Wirklich??? Damit ist nicht Omar Sharif gemeint, bloß weil der mal Doktor Schiwago gespielt hat…??
    Das Angebot kann ich ja gar nicht ablehnen….;-)))
    Viele Grüße von Steffen und Magali!!!!!!!

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  15. Der Gasprom-Gerhard hat doch heute Geburtstag, oder…??
    Aber wer ist Vladimir????
    Tja, ist der Kapitalismus nun in Manchesters Manufakturen entstanden oder bei adidas-Schuhen-nähenden Kindern in Indien…??
    Neues Angebot: wie wäre es mit der Stelle des Karltoner Casinochefs für Dich?
    Viele Grüße aus dem herbstlich-frischen Villarrica von Steffen und Magali!

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  16. …ich hätte den Vladimir vielleicht besser mit doubleve (W) geschrieben?
    Irgendwie bist Du auf der falschen Rille. Für eigene Honorarforderungen auch noch als Stationsvorsteher oder Casinochef arbeiten und das in PY? *TzTz* Also wenn das so ist, dann wende Dich mal an die schwäbischen
    Eisenbahnfreunde von Trula-Trula-Trulala e.V. in Biberach. Die wissen
    wie man alte Loks und Waggons restauriert.

    LG Bernd

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  17. …solche Angebote wie meines kommen so oft aus Paraguay und werden den in Deutschland sitzenden schnell unterbreitet; wahrscheinlich lebe ich schon zu lange hier…;-))))))))
    Hättest Du nicht nachgerechnet, wäre es gar nicht aufgefallen, oder??
    Gibts die Biberach-Adresse wirklich??
    Viele Grüße aus Villarrica senden Steffen und Magali!

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  18. Na gut, der Link zeigt natürlich was anderes…
    Achso, Du rechnest immer alles gleich nach… Dann könntest Du ja Unterricht für potentielle Paraguay-Auswanderer geben!!!!
    Momentan sind wir schon am neuen Beitrag…
    Viele Grüße senden Steffen und Magali am frühen Nachmittag aus Villarrica!!!!!!

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